Mit der vierzigminütigen Performance „Wir nennen es Dubai” beim Eröffnungsspektakel „Wir nennen es Hamburg” auf Kampnagel, erprobte sich das Schwabinggrad Ballett erstmals an einer musikalisch-propagandistischen Breitseite gegen die unternehmerische Stadt. Brandreden, Zweifelmonologe und urbanistische Märchenerzählerei wechselten sich ab mit Free Jazz-Minimal-Elektro-Improvisationen und brechtschem Liedgut.


Fotos: Stefan Malzkorn
 

Was ist okay

Geht es eigentlich gar nicht, einen Workshop zu machen, bei einem Symposium der Internationalen Bauausstellung, von der ich doch weiß, dass sie die Erschließung von randständigen Stadtteilen für Besserverdienende vorantreibt, oder geht es vielleicht doch, wenn ich den Workshop dazu nutze, Wissen über den drohenden Prozess der Aufwertung unter die Leute zu bringen, oder bin ich gerade dann der erfolgreich vereinnahmte Warner, und ist es im Vergleich dazu nicht ehrlicher, mit meiner Band bei der Jägermeister-Rock-Liga aufzutreten, denn das ist wenigstens ordentlich bezahlt, oder viel besser noch beim Trendtag 2008 im Curiohaus, und zwar vor dem Mittagessen, vor lauter Werbern, die pro Nase ein paar Tausend Euro gezahlt haben, um dabei zu sein, was heißt, dass das eben mal nicht aus der Steuerkasse finanziert worden ist, oder bin ich vermessen zu glauben, ich käme jemals in eine Position, dass man mir ein unmoralisches aber unglaublich lukratives Angebot machen würde, zu ich dem dann genüßlich Nein sagen könnte, und ist es deshalb nicht unbedingt geboten, in der Hafencity großformatige Fotos von Terroranschlags-Szenarien auszustellen, damit „die da oben” nicht glauben, sie könnten „uns” einfach in Dienst nehmen und uns unsere Autonomie als Künstler rauben, oder ist es völlig daneben, darauf zu bestehen, dass für Kunst andere Bedingungen als für anderes Arbeiten gelten sollten oder besser gesagt darauf zu bestehen, dass eigentlich für alles Arbeiten Bedingungen zu gelten hätten, die man den Künstlern gerne zubilligt, oder zumindest theoretisch, weil ja doch hoffentlich jeder mitbekommen hat, dass das bei der Künstlersozialkasse gemeldete Durchschnittseinkommen von freien Künstlern unter zehntausend Euro pro Jahr liegt, oder glaubt hier etwa noch irgendwer, man könne unter solchen Bedingungen Kunst und Künstler nicht instrumentalisieren, oder muss man vielleicht erstmal die Frage stellen: Wer instrumentalisiert hier eigentlich? Denn ist es vielleicht nicht gerade so, dass die Kuratoren unglaublich clever waren, als sie einer internationalen Kaffemarke zur Markteinführung eines neuen Kaffepadsystems eine Viertelmillion aus dem Rücken geleiert haben, mit dem Versprechen, mit einem Off-Kunstfestival in einer heruntergekommenen Ex-Einkaufsstraße fünfzig Millionen potentielle-Kunden-Kontakte zu generieren, oder glaubt vielleicht hier irgendjemand, die Stadtplaner und Marketing-Fuzzis säßen mit ihrer Belebungshysterie und ihrer Szenegeilheit am Ende doch immer am längeren Hebel, und dass es dann vielleicht doch besser wäre, in einer etablierten Theaterfabrik einen kleinen und feinen Debattierclub unter dem Titel „Hambule” zu veranstalten, weil man sich Straßen- und Häuserkampf zurückwünscht, oder ist das jetzt doch bloß radical chic, der den guten Namen der heiligen Bambule beschmutzt, oder zumindest in gespielter oder womöglich aufrichtiger Naivität übersieht, dass die Tourismusbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg längst schon die ehemals besetzten Hafenstraßen-Häuser mit dem Prädikat „pulsierende Szene” adelt, oder glaubt hier vielleicht noch irgendjemand, dass uns der Typus des aufrichtigen, unkorrumpierbaren Renegaten wirklich fehlt?